Donnerstag, 19. April 2012

Studierzimmer

Zurück vom Osterspaziergang hat Faust den Pudel mit in sein Studierzimmer genommen. Dort macht er sich an die Arbeit - eine Bibelübersetzung. Er scheint sich folglich ernsthaft mit der Thematik auseinanderzusetzen und strebt nach der Erkenntnis, die so häufig nach dem Verständnis kommt. Die Bibelübersetzung ist also ein Beispiel für sein Erkenntnisstreben. Obgleich er nach dieser Erkenntnis strebt, verändert er den Wortlaut, wie er in der Bibel steht. Aus "Im Anfang war das Wort!" (V. 1224) macht er zunächst "Im Anfang war der Sinn" (V. 1229), dann "Im Anfang war die Kraft" (V. 1233) und schließlich "Im Anfang war die Tat" (V. 1237).  Damit beugt er außerdem die Bibelworte so, dass er sie verstehen kann. Damit strebt er jedoch nicht nach der wahren Erkenntnis. Vielmehr verdreht er die Tatsachen und betrügt sich selbst, denn er selbst würde sich zwar gerne von der Wissenschaft lösen, bleibt jedoch theoretisch, wenn es um Erkenntnis geht. So macht er sich lieber daran, die Bibel zu übersetzen, als sie zu erfahren. Demnach wird dieser Weg nicht zur Erkenntnis führen. Dennoch tut sich was, während er die Bibelverse liest und für sich übersetzt. Der Pudel wird unruhig. Faust sieht sich nun in seiner Vermutung bestätigt, dass der Pudel etwas Überirdischen in sich trägt und beschwört es herauf. Daraufhin steht ihm Mephistopheles, der Teufel gegenüber, der durch die Bibelverse gequält wurde (Vgl. V. 1326). Dieser stellt sich als ein Teil jener Kraft vor, "Die stets das Böse will und stets das Gute schafft" (V. 1336). Sein Element sei alles, was der Mensch "Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt" (V.1342-1343). Mit seiner Kombinationsgabe ist Faust schnell bewusst, dass ihm der Teufel gegenüber steht, ist jedoch keineswegs verwundert oder eingeschüchtert wie noch bei seiner ersten Begegnung mit einem Geist. Mephisto möchte vorerst gehen und später wiederkommen, doch als Faust erfährt, dass er nicht kann, hält er ihn in seinem Zimmer fest. Er möchte mehr über die Absichten des Teufels erfahren und schlägt einen Pakt vor.

"Ein Teufelspakt ist ein mythologisches Handelsbündnis zwischen dem Teufel und einem menschen, dabei wird dem Teufel eine menschliche Seele gegen Reichtum, Macht, Talent, magische Kräfte oder ähnliche Gaben versprochen" Wikipedia / Teufelspakt


Faust möchte sich seines bisherigen Lebens, aller Last, die auf ihm liegt, entledigen und strebt nach dem Ganzen. Mit diesem Ganzen ist insbesondere auch das Überirdische gemeint. Er hat genug von seinem irdischen Leben und schwört sämtlichen menschlichen Werten ab. Mephisto bietet ihm auf Erden ein neues Leben voller Genuss, fordert dafür jedoch seine Seele nach dem Tod. Da Faust an das Leben nach dem Tod nicht glaubt, willigt er ein. 


Deichkind - Luftbahn



Wir fahren mit der Luftbahn durch die Nacht
Der Mond scheint nur für uns
Gleich haben wir es geschafft
Und all die Probleme auf der Erde
Liegen für uns in weiter Ferne
Wir fahren mit der Luftbahn durch die Nacht
Wo der Sternenhimmel für uns lacht
Und all die Probleme auf der Erde
Liegen für uns in weiter Ferne

Von deinen Schultern
Fällt die ganze Last
Du spürst sie nie wieder
Die Erdanziehungskraft

Und sollt es wirklich passieren
Dass wir uns im Universum verlieren
Dann verglüh ich für dich
Damit du niemals erfrierst


Wir fahren mit der Luftbahn durch die Nacht
Der Mond scheint nur für uns
Gleich haben wir es geschafft
Und all die Probleme auf der Erde
Liegen für uns in weiter Ferne
Wir fahren mit der Luftbahn durch die Nacht
Wo der Sternenhimmel für uns lacht
Und all die Probleme auf der Erde
Liegen für uns in weiter Ferne

Schwerelos, wir fühlen uns schwerelos
Schwerelos, wir fühlen uns schwerelos


Deine Zweifel waren groß
Niemand hat sich interessiert
Du spürst wie es langsam leichter wird
Das schlimmste ist jetzt hinter dir
Du bist noch ganz benommen
Wir sind bald angekommen
Du brauchst jetzt nicht mehr zu weinen
Denn ich hab dich an die Hand genommen
Manchmal muss man einfach raus
Denn manchmal ist die Welt zu klein
Willst du die Unendlichkeit?
Dann lass die fallen und steig mit ein
Ich zeig dir wahre Liebe
Und wie gut es tut, die Faust zu ballen
Wir fliegen vom Dunklen ins Sonnenlicht
Bis wir zu Staub zerfallen


Wir fahren mit der Luftbahn durch die Nacht

Der Mond scheint nur für uns
Gleich haben wir es geschafft
Und all die Probleme auf der Erde
Liegen für uns in weiter Ferne
Wir fahren mit der Luftbahn durch die Nacht
Wo der Sternenhimmel für uns lacht
Und all die Probleme auf der Erde
Liegen für uns in weiter Ferne

Schwerelos, wir fühlen uns schwerelos
Schwerelos, wir fühlen uns schwerelos 






Dieser Song verdeutlicht meiner Meinung nach ziemlich treffend, was Faust sucht und was Mephisto bieten kann. Faust ersucht die Leichtigkeit und die Unendlichkeit. Mephisto nimmt ihm die Last, gibt ihm die Kraft, die Jugend, die Liebe, die Gelassenheit. 

Vor dem Tor

Bei einem Osterspaziergang mit seinem Freund Wagner genießt Faust die Schönheit der Natur vor den Toren der Stadt. Der Titel "Vor dem Tor" beschreibt einerseits die Örtlichkeit des Geschehens, draußen vor dem Stadttor. Andererseits stellt das Tor eine Grenze zwischen dem geselligen Leben vor der Stadt und dem entgegengesetzten einsamen, verstaubten Arbeitszimmer Fausts, in dem er so viel Zeit verbringt. Diese Abtrennung zeigt Fausts Isolation von der Gesellschaft. Dafür spricht auch die Freude des alten Bauern, der sich sehr über die Anwesenheit Fausts zu freuen scheint. Es scheint also recht ungewöhnlich, dass Faust an gesellschaftlichen Anlässen teilnimmt. Dieser Trubel um seine Person ist ihm allerdings auch merklich unangenehm. Während er vom Volk Anerkennung dafür bekommt, dass er während der Pest zusammen mit seinem Vater vielen Menschen geholfen hat, beklagt Faust bloß diejenigen, denen er keine Hilfe sein konnte. Dieser Gedanke erinnert ihn an seine begrenzten Möglichkeiten, die er trotz seines hohen Bildungsstandes hat. Doch nach einem kurzen Moment der Unmut erfreut sich Faust erneut an der Natur. Er genießt die friedliche und ruhige Abendstimmung, während Wagner eher in der Lektüre von Büchern seine Ruhe findet ("Wie anders tragen uns die Geistesfreuden / von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt! / Da werden Winternächte hold und schön", V. 1104-1106). In dem Moment als Faust sich zwischen der Wissenschaft und der Sehnsucht nach Überwindung der irdischen Enge hin und her gerissen fühlt, entdecken die beiden Freunde einen Pudel, der sich ihnen kreisförmig nähert. Wagner sieht nicht mehr als einen Hund, der sich verlaufen haben muss, doch Faust nimmt zudem einen "Feuerstrudel" (V. 1154) wahr, den Wagner jedoch als "Augentäuschung" (V. 1157) abtut. Doch Faust wird das Gefühl nicht los, dass sich hinter dem Pudel mehr verbirgt. Es scheint ihm, "dass er magisch leise Schlingen [...] um unsre Füße zieht" (V. 1158-1159). Wagner, der ein klassischer, rationaler Wissenschaftler ist, erkennt nicht das Überirdische, das sich in dem Pudel verbirgt. Faust jedoch, der sich der Geisterwelt geöffnet hat, kann es erkennen. Damit bestätigt sich die Vermutung Fausts, dass nur jener die Geister sehen kann, der sich der Geisterwelt öffnet und sie für sich zulässt. Aufgrund seiner Faszination für diesen Hund, nimmt er ihn auch ohne äußerliche Anzeichen, dass es sich um etwas Überirdisches handelt, mit in  sein Studienzimmer. Ich erwarte jetzt den ersten Auftritt des Mephistopholes, denn wer, wenn nicht der Teufel, sollte einen Feuerstrudel hinter sich herziehen und "magisch leise Schlingen" (V. 1157) ziehen. Mich wundert jedoch die Annäherung des Teufels in Form eines Pudels. Andere Tierarten wären aus meiner Sicht passender gewesen. Zum Beispiel hätte man auf das biblische Motiv der Schlange zurückgreifen oder ein anderes bedrohlicheres Tier als einen Pudel wählen können. Andererseits ist es ja auch die List des Teufels, sich als etwas Gutes zu tarnen.
Abbildung: Hunde-Kostüm Kleiner Teufel
Ist dies auch kein Pudel, fand ich das Bild sehr passend.
Quelle
Ebenso wie der Titel "Vor dem Tor" kann auch dem Osterspaziergang eine tiefere Bedeutung zugemessen werden. Ostern ist das Fest, das die Christen zur Auferstehung Jesu feiern. Sie feiern folglich die Wiederkehr des Lebens. Auch Faust ist in gewissem Sinne wieder zu den Lebenden zurückgekehrt. Im Gegensatz zu seinen Selbstmordgedanken in der Szene "Nacht" widmet er sich in dieser Szene dem Leben der Stadt.
Neben den entgegengesetzten Örtlichkeiten und dem Kontrast zwischen Selbstmord und Volksfest unterscheidet sich auch der Umgang mit dem Überirdischen zwischen den beiden Szenen. In "Nacht" beschwört er den Geist aktiv herauf und wirkt schon fast besessen. Der Geist kommt auf den Ruf Fausts, der ihn im Folgenden jedoch wieder verjagt. In der darauf folgenden Szene "Vor dem Tor" nähert sich der Pudel selbstständig. Faust ist hierbei passiv und fühlt sich von dem Pudel, in dem er etwas Überirdisches vermutet, umschlungen. Mit diesen Gegensätzen kreiert Johann Wolfgang von Goethe Spannung, die den Leser anregt, weiterzulesen. Das werde ich jetzt auch tun.



Beim Lesen ist mir übrigens etwas ins Auge gesprungen, was ich an dieser Stelle nicht erwartet hätte:

"Dem Helfer half der Helfer droben.
ALLE. Gesundheit dem bewährten Mann,
Dass er noch lange helfen kann!
FAUST. Vor jenem droben steht gebückt,
Der helfen lehrt und Hilfe schickt."
(Verse 1004-1010)

Nach meinem Verständnis geht es bei dem "Helfer droben" (V. 1004) um Gott. Obwohl Faust große Zweifel an der Existenz Gottes plagen, preist er ihn in dieser Szene und fordert die anderen auf, ihn zu ehren...

Mittwoch, 18. April 2012

Viel zu viel

Da wir bis Freitag das ganze Stück zu Ende lesen sollen und dazu einen doppelseitigen (!) Arbeitsauftrag bekommen haben, bin ich wohl erst einmal mit dem Lesen der Lektüre beschäftigt. Schade, der Zeitdruck in Verbindung mit dem Leistungsdruck nimmt mir jede Lust an der Auseinandersetzung mit einem derartigen Klassiker. Unsere Lehrerin hat uns nach dem schriftlichen Abitur von der entspannten Zeit vorgeschwärmt, die wir nun vor uns haben und die wir unbedingt genießen sollen. Zu doof, dass sie jetzt diejenige ist, die das unmöglich macht. Zwar sind nur einige Aufgaben verpflichtend, aber die Note basiert nun einmal auf der Intensität der Auseinandersetzung mit dem Werk und ergänzend steht auf unserem Arbeitsauftrag "Bearbeiten Sie weitere Aufgaben, um zu zeigen, dass Sie sich intensiv mit der Lektüre auseinandersetzen.". Folglich sollen wir möglichst alle Aufgaben machen, um eine gute Note zu erreichen, es ist aber uns überlassen, weniger zu machen, wenn wir uns auch mit einer schlechten Note zufrieden geben. Herzlichen Dank für die freie Wahl...

Sonntag, 15. April 2012

Zufällig

Gestern, als ich noch mit Freunden im Harz im Urlaub war, lief beim Abwaschen zufällig folgender Song, der mich sofort an Faust erinnerte.


Der Song "Losing my Religion" von REM aus dem Jahr 1991 passt in zweierlei Hinsicht zu Johann Wolfgang von Goethes "Faust - erster Teil": Einerseits hat das lyrische Ich in dem Song, genauso wie Faust den Zugang zu Gott verloren, dem sich beide jedoch einmal sehr verbunden gefühlt haben. Faust scheint in seiner Jugend Erfahrungen mit dem Glauben gemacht zu haben, das lyrische Ich in dem Lied in einem Traum. Doch nun haben beide starke Zweifel an der Existenz Gottes. Andererseits stimmt die Situation im Song ziemlich genau mit der Situation Fausts überein, nachdem er von dem Geist verlassen wurde. Beide haben den Kontakt gesucht, ihn auch flüchtig gehabt, doch ihn schnell wieder verloren. Beide fühlen sich daraufhin klein und schwach, in die Ecke gedrängt und verlassen. Und beide geraten durch den flüchtigen Kontakt in starke Zweifel und verlieren den Glauben. 

Nacht

Faust ist einer studierter Mann. Er hat sich nicht mit einem Fach zufrieden gegeben. Stattdessen hat er gleich "Philosophie, / Juristerei, Medizin, / Und leider auch Theologie / Durchaus studiert" (V. 354-356). Meiner Meinung nach ist das sehr ungewöhnlich, derart viele und derart unterschiedliche Fächer zu studieren. In der heutigen Zeit wäre es kaum mehr denkbar. Für ein Philosophie-, ein Jura- ein Medizin- und ein Theologiestudium bräuchte man unter heutigen Bedingungen mindestens 16 Jahre. Darüber hinaus scheint er auch noch Lehrer zu sein, denn er "[zieht] schon an die zehen Jahr' / Herauf, herab und quer und krumm / [Seine] Schüler an der Nase herum" (V. 361-364). Trotz der beachtlichen Vielfalt seiner Fächer, ist Faust überzeugt davon, schlauer zu sein "als alle die Laffen, / Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen" (V. 366-367). Bis zu dieser Aussage erscheint Faust sehr selbstbewusst und von sich überzeugt, doch es folgen darauf einige Eingeständnisse. So ist ihm bewusst, dass er andere nicht belehren und sie nicht verbessern könne (Vgl. V. 372-373). Nicht einmal Wohlstand oder Anerkennung konnte er aus all seinem Wissen ernten, sodass er zu dem Schluss kommt, dass "kein Hund so länger leben" (V. 376) wolle. Zu diesem Zeitpunkt macht Faust auf mich einen niedergeschlagenen Eindruck, möglicherweise auch etwas verzweifelt. Denn seine Anstrengungen scheinen erfolglos geblieben zu sein. Daraufhin wendet Faust sich der Magie zu. Nachdem er alle anderen Bereiche durch seine Studienfächer bereits abgedeckt hatte, scheint das Übernatürliche die einzige Möglichkeit für ihn zu sein, tatsächlich zur Erkenntnis zu gelangen, "was die Welt / Im Innersten zusammenhält" (V. 382-383). Beim Lesen dieses Teilabschnitts stelle ich mir vor, wie Faust in einen Wahn gerät, wie er alles um sich herum vergisst, möglicherweise auf und ab läuft. Im Gegensatz zu der Niedergeschlagenheit vom Anfang scheint er mir jetzt auch hoffnungsvoll zu sein. 

In der Schule haben wir diesen Eingangsmonolog sinnentnehmend lesen sollen. Die Anforderung beim sinnentnehmenden Lesen ist insbesondere, dass die Stimmungslage deutlich wird. So würde ich zunächst versuchen, mit energischer Stimme Stärke auszudrücken, die Faust zu Anfang ausstrahlt. Um den bereits angesprochenen Stimmungswechsel zu erzeugen würde ich meine Stimme dämpfen, um die Enttäuschung über den ausbleibenden Erfolg zu verdeutlichen und später sollte sich die Stimme dann wieder aufhellen, möglicherweise sogar schneller werden, um Hoffnung und Zuversicht für die Zukunft zu zeigen. 


Unsere Lehrerin zeigte uns daraufhin diese Version der Szene "Nacht", inszeniert von Will Quadflieg und gespielt im Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Faust scheint in dieser Inszenierung eher verärgert als niedergeschlagen zu sein, fast schon aggressiv. Daraufhin brach eine Diskussion in der Klasse aus. Die meisten waren der Ansicht, es sei zu energisch, zu aggressiv gesprochen und die Enttäuschen würde nicht deutlich werden. Andere waren der Meinung, dass es durchaus verständlich ist, sich zu ärgern, wenn man nach langjährigen Bemühungen erkennen muss, dass es zu nichts geführt hat. Ich kann beide Seiten gut verstehen. Wichtig finde ich, dass deutlich wird, wie unzufrieden Faust mit seiner Situation ist. Und diese Unzufriedenheit kann sich dann entweder in Aggression oder in Resignation zeigen. Im letzten der drei Teile vermisse ich insbesondere die neue Zuversicht in die Magie. Zwar wird Faust zu Beginn der Szene etwas leiser, fast wie ein wahnsinniges Flüstern, gesprochen, doch die Aggression nimmt nicht ab. Andererseits könnte das Aufstehen des Protagonisten eben diese Zuversicht und den Tatendrang symbolisieren. 

Im Folgenden erinnert Faust sich an die vielen Stunden, die er an seinem Schreibtisch verbracht hat und beschreibt sein Wissen als Last. Er scheint von einem unbeschwerteren Leben in der Ferne zu träumen, was in der Inszenierung Will Quadfliegs durch einen abwesenden Blick zur Decke und ein ruhigeres Sprechen deutlich wird. Doch er ist schnell wieder auf dem Boden der Tatsachen, als er erkennt, dass er noch immer "in dem Kerker" (V. 498), seinem Arbeitszimmer, sitzt. Hier wird die Enttäuschung und Verzweiflung besonders deutlich, da er sein Arbeitszimmer, in dem er viel Zeit zu verbringen scheint (Vgl. V. 402-409), als Gefängnis wahrnimmt und auch das "liebe Himmelslicht" (V. 400) bricht "Trüb durch gemalte Scheiben" (V. 401). Einerseits löst fehlendes Tageslicht Depressionen aus, was zu Fausts Unzufriedenheit passt. In diesem Fall sehe ich das Licht aber eher in seiner geläufigen Symbolik für Erkenntnis, wie es auch bereits die Franzosen taten, als sie das Zeitalter der Aufklärung siècle des Lumières (la lumière = das Licht) nannten. Das schwache Licht steht folglich auch für wenig Erkenntnis, nach der Faust jedoch so sehr strebt. So kommt es zu dem Gefühl, gescheitert zu sein. 

Mit einem Buch von Nostradamus, einem Arzt und Astrologen, in der Hand scheint er nun die bereits erwartete Hoffnung zu gewinnen. Er spürt, wie ihm "junges, heil'ges Lebensglück / Neu glühend [...] durch Nerv' und Adern [rinnt]" (V. 432-433) und scheint ruhiger zu werden ("Die mir das innre Toben stillen", V. 435). Er fragt zunächst, ob es ein Gott war, der dieses Buch verfasste, das ihn zur Erkenntnis zu führen scheint, kurz später, ob er selbst ein Gott sei, da ihm "so licht" (V. 439) wird. Er erkennt nämlich, dass nicht die Geisterwelt verschlossen ist, sondern er. Er müsse sich bloß der Geisterwelt öffnen, um sie zu erfahren und das tut er daraufhin. Er beschwört einen Geist herauf, der ihm dann erscheint. Doch Faust erträgt die Anwesenheit des Geistes nicht, was den Geist verwundert. Faust scheint sich erneut der Geisterwelt verschlossen zu haben, denn der Geist fragt: "Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang" (V. 494)? Als Reaktion darauf stellt sich Faust mit dem Geist gleich (Vgl. V. 499), doch der Geist weist ihn zurück ("Du gleichst dem Geist, den du begreifst, / Nicht mir!", V.512-513) und verschwindet wieder. Nachdem er zunächst Erkenntnis gewonnen zu haben schien, steht er nun wieder unwissend dar. Dennoch sieht er sich selbst als "Ebenbild der Gottheit" (V. 516). Doch als es an der Tür klopft, erwartet Faust den Tod. Er ist nach der Erfahrung mit dem Geist noch verunsicherter und verzweifelter als zuvor. Nicht aber der Tod betritt den Raum, sondern sein Freund Wagner, mit dem er eine Diskussion über die Wissenschaft beginnt. Wagner erscheint als klassischer Wissenschaftler, während Faust den Glauben an die klassische Wissenschaft verloren hat. Faust weist Wagner, der gerne einige Fragen an Faust gerichtet hätte, um noch mehr zu wissen, zurück und bittet ihn zu gehen. Wieder alleine erinnert sich Faust an die Begegnung mit dem Erdgeist und daran, wie er sich kurzzeitig in Erkenntnis sah, die er jedoch einen Augenblick später wieder verlor. Ihm stellt sich die Frage, wieso er den Geist anziehen, nicht aber halten konnte. 

Kurz nachdem er noch überzeugt davon war, gottgleich zu sein, ändert er nun wieder seine Meinung und sieht sich selbst als "[Wurm ...], der den Staub durchwühlt" (V. 653). Er fühlt sich nachdem ihn der Geist verlassen hatte sehr klein und unbedeutend. In der erneuten Enttäuschung erblickt er ein Fläschen voll Gift und denkt daran, sich durch Selbstmord seiner Lasten zu entledigen. Auf diese Weise wäre er endlich von allem Irdischen gelöst und den Göttern endgültig gleich (Vgl. V. 708-714). Doch in dem Moment als er die Flasche ansetzen will, ertönt zu Ostern der Chor der Engel und verkündet die Auferstehung Christi. Ostern steht bei den Christen insbesondere für Erlösung, die Faust auf einem anderen Wege gesucht hatte. Doch davon hat ihn der Chor abgehalten und verdeutlicht, dass es auch einen anderen Weg, den Weg mit Jesus Christus, dem Auferstandenen, geht. Und der Chor, beziehungsweise die Botschaft, zeigt Wirkung. Faust fühlt sich durch den christlichen Gesang an seine fröhliche Jugend voller Glaube, Hoffnung und Liebe erinnert und schöpft darin scheinbar neue Hoffnung, denn er erklärt: "Die Erde hat mich wieder!" (V. 784). So hat der Chor Faust von dem Selbstmord abgehalten. Da es sich um einen Engelschor handelt und Engel von Gott zur Erde gesandte Boten sind, scheint der Herr, wenn auch hier nicht selbst, in das Leben Fausts einzugreifen und ihn vor der Versuchung des möglicherweise leichteren Weges zu bewahren. Daran wird deutlich, dass Gott die erste Versuchung durch den Teufel abgewehrt hat und die Wette mit dem Mephistopholes höchstwahrscheinlich gewinnen wird.