Faust ist einer studierter Mann. Er hat sich nicht mit einem Fach zufrieden gegeben. Stattdessen hat er gleich "Philosophie, / Juristerei, Medizin, / Und leider auch Theologie / Durchaus studiert" (V. 354-356). Meiner Meinung nach ist das sehr ungewöhnlich, derart viele und derart unterschiedliche Fächer zu studieren. In der heutigen Zeit wäre es kaum mehr denkbar. Für ein Philosophie-, ein Jura- ein Medizin- und ein Theologiestudium bräuchte man unter heutigen Bedingungen mindestens 16 Jahre. Darüber hinaus scheint er auch noch Lehrer zu sein, denn er "[zieht] schon an die zehen Jahr' / Herauf, herab und quer und krumm / [Seine] Schüler an der Nase herum" (V. 361-364). Trotz der beachtlichen Vielfalt seiner Fächer, ist Faust überzeugt davon, schlauer zu sein "als alle die Laffen, / Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen" (V. 366-367). Bis zu dieser Aussage erscheint Faust sehr selbstbewusst und von sich überzeugt, doch es folgen darauf einige Eingeständnisse. So ist ihm bewusst, dass er andere nicht belehren und sie nicht verbessern könne (Vgl. V. 372-373). Nicht einmal Wohlstand oder Anerkennung konnte er aus all seinem Wissen ernten, sodass er zu dem Schluss kommt, dass "kein Hund so länger leben" (V. 376) wolle. Zu diesem Zeitpunkt macht Faust auf mich einen niedergeschlagenen Eindruck, möglicherweise auch etwas verzweifelt. Denn seine Anstrengungen scheinen erfolglos geblieben zu sein. Daraufhin wendet Faust sich der Magie zu. Nachdem er alle anderen Bereiche durch seine Studienfächer bereits abgedeckt hatte, scheint das Übernatürliche die einzige Möglichkeit für ihn zu sein, tatsächlich zur Erkenntnis zu gelangen, "was die Welt / Im Innersten zusammenhält" (V. 382-383). Beim Lesen dieses Teilabschnitts stelle ich mir vor, wie Faust in einen Wahn gerät, wie er alles um sich herum vergisst, möglicherweise auf und ab läuft. Im Gegensatz zu der Niedergeschlagenheit vom Anfang scheint er mir jetzt auch hoffnungsvoll zu sein.
In der Schule haben wir diesen Eingangsmonolog sinnentnehmend lesen sollen. Die Anforderung beim sinnentnehmenden Lesen ist insbesondere, dass die Stimmungslage deutlich wird. So würde ich zunächst versuchen, mit energischer Stimme Stärke auszudrücken, die Faust zu Anfang ausstrahlt. Um den bereits angesprochenen Stimmungswechsel zu erzeugen würde ich meine Stimme dämpfen, um die Enttäuschung über den ausbleibenden Erfolg zu verdeutlichen und später sollte sich die Stimme dann wieder aufhellen, möglicherweise sogar schneller werden, um Hoffnung und Zuversicht für die Zukunft zu zeigen.
Unsere Lehrerin zeigte uns daraufhin diese Version der Szene "Nacht", inszeniert von Will Quadflieg und gespielt im Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Faust scheint in dieser Inszenierung eher verärgert als niedergeschlagen zu sein, fast schon aggressiv. Daraufhin brach eine Diskussion in der Klasse aus. Die meisten waren der Ansicht, es sei zu energisch, zu aggressiv gesprochen und die Enttäuschen würde nicht deutlich werden. Andere waren der Meinung, dass es durchaus verständlich ist, sich zu ärgern, wenn man nach langjährigen Bemühungen erkennen muss, dass es zu nichts geführt hat. Ich kann beide Seiten gut verstehen. Wichtig finde ich, dass deutlich wird, wie unzufrieden Faust mit seiner Situation ist. Und diese Unzufriedenheit kann sich dann entweder in Aggression oder in Resignation zeigen. Im letzten der drei Teile vermisse ich insbesondere die neue Zuversicht in die Magie. Zwar wird Faust zu Beginn der Szene etwas leiser, fast wie ein wahnsinniges Flüstern, gesprochen, doch die Aggression nimmt nicht ab. Andererseits könnte das Aufstehen des Protagonisten eben diese Zuversicht und den Tatendrang symbolisieren.
Im Folgenden erinnert Faust sich an die vielen Stunden, die er an seinem Schreibtisch verbracht hat und beschreibt sein Wissen als Last. Er scheint von einem unbeschwerteren Leben in der Ferne zu träumen, was in der Inszenierung Will Quadfliegs durch einen abwesenden Blick zur Decke und ein ruhigeres Sprechen deutlich wird. Doch er ist schnell wieder auf dem Boden der Tatsachen, als er erkennt, dass er noch immer "in dem Kerker" (V. 498), seinem Arbeitszimmer, sitzt. Hier wird die Enttäuschung und Verzweiflung besonders deutlich, da er sein Arbeitszimmer, in dem er viel Zeit zu verbringen scheint (Vgl. V. 402-409), als Gefängnis wahrnimmt und auch das "liebe Himmelslicht" (V. 400) bricht "Trüb durch gemalte Scheiben" (V. 401). Einerseits löst fehlendes Tageslicht Depressionen aus, was zu Fausts Unzufriedenheit passt. In diesem Fall sehe ich das Licht aber eher in seiner geläufigen Symbolik für Erkenntnis, wie es auch bereits die Franzosen taten, als sie das Zeitalter der Aufklärung siècle des Lumières (la lumière = das Licht) nannten. Das schwache Licht steht folglich auch für wenig Erkenntnis, nach der Faust jedoch so sehr strebt. So kommt es zu dem Gefühl, gescheitert zu sein.
Mit einem Buch von Nostradamus, einem Arzt und Astrologen, in der Hand scheint er nun die bereits erwartete Hoffnung zu gewinnen. Er spürt, wie ihm "junges, heil'ges Lebensglück / Neu glühend [...] durch Nerv' und Adern [rinnt]" (V. 432-433) und scheint ruhiger zu werden ("Die mir das innre Toben stillen", V. 435). Er fragt zunächst, ob es ein Gott war, der dieses Buch verfasste, das ihn zur Erkenntnis zu führen scheint, kurz später, ob er selbst ein Gott sei, da ihm "so licht" (V. 439) wird. Er erkennt nämlich, dass nicht die Geisterwelt verschlossen ist, sondern er. Er müsse sich bloß der Geisterwelt öffnen, um sie zu erfahren und das tut er daraufhin. Er beschwört einen Geist herauf, der ihm dann erscheint. Doch Faust erträgt die Anwesenheit des Geistes nicht, was den Geist verwundert. Faust scheint sich erneut der Geisterwelt verschlossen zu haben, denn der Geist fragt: "Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang" (V. 494)? Als Reaktion darauf stellt sich Faust mit dem Geist gleich (Vgl. V. 499), doch der Geist weist ihn zurück ("Du gleichst dem Geist, den du begreifst, / Nicht mir!", V.512-513) und verschwindet wieder. Nachdem er zunächst Erkenntnis gewonnen zu haben schien, steht er nun wieder unwissend dar. Dennoch sieht er sich selbst als "Ebenbild der Gottheit" (V. 516). Doch als es an der Tür klopft, erwartet Faust den Tod. Er ist nach der Erfahrung mit dem Geist noch verunsicherter und verzweifelter als zuvor. Nicht aber der Tod betritt den Raum, sondern sein Freund Wagner, mit dem er eine Diskussion über die Wissenschaft beginnt. Wagner erscheint als klassischer Wissenschaftler, während Faust den Glauben an die klassische Wissenschaft verloren hat. Faust weist Wagner, der gerne einige Fragen an Faust gerichtet hätte, um noch mehr zu wissen, zurück und bittet ihn zu gehen. Wieder alleine erinnert sich Faust an die Begegnung mit dem Erdgeist und daran, wie er sich kurzzeitig in Erkenntnis sah, die er jedoch einen Augenblick später wieder verlor. Ihm stellt sich die Frage, wieso er den Geist anziehen, nicht aber halten konnte.
Kurz nachdem er noch überzeugt davon war, gottgleich zu sein, ändert er nun wieder seine Meinung und sieht sich selbst als "[Wurm ...], der den Staub durchwühlt" (V. 653). Er fühlt sich nachdem ihn der Geist verlassen hatte sehr klein und unbedeutend. In der erneuten Enttäuschung erblickt er ein Fläschen voll Gift und denkt daran, sich durch Selbstmord seiner Lasten zu entledigen. Auf diese Weise wäre er endlich von allem Irdischen gelöst und den Göttern endgültig gleich (Vgl. V. 708-714). Doch in dem Moment als er die Flasche ansetzen will, ertönt zu Ostern der Chor der Engel und verkündet die Auferstehung Christi. Ostern steht bei den Christen insbesondere für Erlösung, die Faust auf einem anderen Wege gesucht hatte. Doch davon hat ihn der Chor abgehalten und verdeutlicht, dass es auch einen anderen Weg, den Weg mit Jesus Christus, dem Auferstandenen, geht. Und der Chor, beziehungsweise die Botschaft, zeigt Wirkung. Faust fühlt sich durch den christlichen Gesang an seine fröhliche Jugend voller Glaube, Hoffnung und Liebe erinnert und schöpft darin scheinbar neue Hoffnung, denn er erklärt: "Die Erde hat mich wieder!" (V. 784). So hat der Chor Faust von dem Selbstmord abgehalten. Da es sich um einen Engelschor handelt und Engel von Gott zur Erde gesandte Boten sind, scheint der Herr, wenn auch hier nicht selbst, in das Leben Fausts einzugreifen und ihn vor der Versuchung des möglicherweise leichteren Weges zu bewahren. Daran wird deutlich, dass Gott die erste Versuchung durch den Teufel abgewehrt hat und die Wette mit dem Mephistopholes höchstwahrscheinlich gewinnen wird.
Danke, jetzt verstehe ich den Text endlich ^^
AntwortenLöschenEcht super!
LöschenDanke hast mir bei den Deutschhausaufgaben geholfen :-)
AntwortenLöschenDankeschön für den langen Text. Unserem Professor hat er so gut gefallen, dass wir ihn jetzt auswendig lernen dürfen. Hatte noch nie eine so schöne Erfahrung mit deutscher Literatur.
AntwortenLöschenSolely don�t consider satisfying gas 4 free : all the way up which includes a water fountain pencil, when the webpages tend to be as an alternative skinny. https://imgur.com/a/fMJ6M8o https://imgur.com/a/UtOrl6b https://imgur.com/a/inyo63p https://imgur.com/a/Xm3ld37 https://imgur.com/a/8p16ih4 https://imgur.com/a/rwhozp2 https://imgur.com/a/cHLIFnL
AntwortenLöschen