Donnerstag, 19. April 2012

Vor dem Tor

Bei einem Osterspaziergang mit seinem Freund Wagner genießt Faust die Schönheit der Natur vor den Toren der Stadt. Der Titel "Vor dem Tor" beschreibt einerseits die Örtlichkeit des Geschehens, draußen vor dem Stadttor. Andererseits stellt das Tor eine Grenze zwischen dem geselligen Leben vor der Stadt und dem entgegengesetzten einsamen, verstaubten Arbeitszimmer Fausts, in dem er so viel Zeit verbringt. Diese Abtrennung zeigt Fausts Isolation von der Gesellschaft. Dafür spricht auch die Freude des alten Bauern, der sich sehr über die Anwesenheit Fausts zu freuen scheint. Es scheint also recht ungewöhnlich, dass Faust an gesellschaftlichen Anlässen teilnimmt. Dieser Trubel um seine Person ist ihm allerdings auch merklich unangenehm. Während er vom Volk Anerkennung dafür bekommt, dass er während der Pest zusammen mit seinem Vater vielen Menschen geholfen hat, beklagt Faust bloß diejenigen, denen er keine Hilfe sein konnte. Dieser Gedanke erinnert ihn an seine begrenzten Möglichkeiten, die er trotz seines hohen Bildungsstandes hat. Doch nach einem kurzen Moment der Unmut erfreut sich Faust erneut an der Natur. Er genießt die friedliche und ruhige Abendstimmung, während Wagner eher in der Lektüre von Büchern seine Ruhe findet ("Wie anders tragen uns die Geistesfreuden / von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt! / Da werden Winternächte hold und schön", V. 1104-1106). In dem Moment als Faust sich zwischen der Wissenschaft und der Sehnsucht nach Überwindung der irdischen Enge hin und her gerissen fühlt, entdecken die beiden Freunde einen Pudel, der sich ihnen kreisförmig nähert. Wagner sieht nicht mehr als einen Hund, der sich verlaufen haben muss, doch Faust nimmt zudem einen "Feuerstrudel" (V. 1154) wahr, den Wagner jedoch als "Augentäuschung" (V. 1157) abtut. Doch Faust wird das Gefühl nicht los, dass sich hinter dem Pudel mehr verbirgt. Es scheint ihm, "dass er magisch leise Schlingen [...] um unsre Füße zieht" (V. 1158-1159). Wagner, der ein klassischer, rationaler Wissenschaftler ist, erkennt nicht das Überirdische, das sich in dem Pudel verbirgt. Faust jedoch, der sich der Geisterwelt geöffnet hat, kann es erkennen. Damit bestätigt sich die Vermutung Fausts, dass nur jener die Geister sehen kann, der sich der Geisterwelt öffnet und sie für sich zulässt. Aufgrund seiner Faszination für diesen Hund, nimmt er ihn auch ohne äußerliche Anzeichen, dass es sich um etwas Überirdisches handelt, mit in  sein Studienzimmer. Ich erwarte jetzt den ersten Auftritt des Mephistopholes, denn wer, wenn nicht der Teufel, sollte einen Feuerstrudel hinter sich herziehen und "magisch leise Schlingen" (V. 1157) ziehen. Mich wundert jedoch die Annäherung des Teufels in Form eines Pudels. Andere Tierarten wären aus meiner Sicht passender gewesen. Zum Beispiel hätte man auf das biblische Motiv der Schlange zurückgreifen oder ein anderes bedrohlicheres Tier als einen Pudel wählen können. Andererseits ist es ja auch die List des Teufels, sich als etwas Gutes zu tarnen.
Abbildung: Hunde-Kostüm Kleiner Teufel
Ist dies auch kein Pudel, fand ich das Bild sehr passend.
Quelle
Ebenso wie der Titel "Vor dem Tor" kann auch dem Osterspaziergang eine tiefere Bedeutung zugemessen werden. Ostern ist das Fest, das die Christen zur Auferstehung Jesu feiern. Sie feiern folglich die Wiederkehr des Lebens. Auch Faust ist in gewissem Sinne wieder zu den Lebenden zurückgekehrt. Im Gegensatz zu seinen Selbstmordgedanken in der Szene "Nacht" widmet er sich in dieser Szene dem Leben der Stadt.
Neben den entgegengesetzten Örtlichkeiten und dem Kontrast zwischen Selbstmord und Volksfest unterscheidet sich auch der Umgang mit dem Überirdischen zwischen den beiden Szenen. In "Nacht" beschwört er den Geist aktiv herauf und wirkt schon fast besessen. Der Geist kommt auf den Ruf Fausts, der ihn im Folgenden jedoch wieder verjagt. In der darauf folgenden Szene "Vor dem Tor" nähert sich der Pudel selbstständig. Faust ist hierbei passiv und fühlt sich von dem Pudel, in dem er etwas Überirdisches vermutet, umschlungen. Mit diesen Gegensätzen kreiert Johann Wolfgang von Goethe Spannung, die den Leser anregt, weiterzulesen. Das werde ich jetzt auch tun.



Beim Lesen ist mir übrigens etwas ins Auge gesprungen, was ich an dieser Stelle nicht erwartet hätte:

"Dem Helfer half der Helfer droben.
ALLE. Gesundheit dem bewährten Mann,
Dass er noch lange helfen kann!
FAUST. Vor jenem droben steht gebückt,
Der helfen lehrt und Hilfe schickt."
(Verse 1004-1010)

Nach meinem Verständnis geht es bei dem "Helfer droben" (V. 1004) um Gott. Obwohl Faust große Zweifel an der Existenz Gottes plagen, preist er ihn in dieser Szene und fordert die anderen auf, ihn zu ehren...

11 Kommentare:

  1. Sehr schön geschrieben, wird mir morgen bei meiner Klausur bestimmt weiterhelfen. Danke dir! :)

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  2. Ja, wirklich sehr verständlich und toll geschrieben! Ein Tipp zu der Sache mit dem Hund: Johann Wolfgang Goethe hatte große Angst vor Hunden...Daher weht wahrscheinlich der Wind ;)

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  3. Finde es auch sehr gut. Nur was meiner Meinung nach fehlt, ist der Part, wo Faust sagt, dass zwei Seelen in ihm wohnen, was ich für sehr wichtig halte.

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  4. Habe die Szene "Vor dem Tor" nun endlich besser Verstanden. Danke!

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  5. war mega geil !!¨
    habe super abgespritzt!

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  6. War unglaublich schön. Bitte nächste Woche wieder!!!!!!

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  7. Haben Sie auch Mandarienen im Angebot?

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  8. Für mich fehlt in diesem Text eines der wichtigsten Zitate im ganzen Werk: "Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
    Die eine will sich von der andern trennen" Dieses steht sinnbildlich für Fausts Zwiespalt zwischen Pflicht und Neigung und ist somit signifikant für die Entwicklung des Charakters.

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